Wie lernen Kinder eigentlich lesen? Welche Schritte sind besonders wichtig? Und wie können Sie als Lehrkraft den Leselernprozess optimal begleiten?
In diesem Beitrag erfährst du alles rund um das Lesen lernen im Deutschunterricht: von den ersten Buchstaben über Silben und Wörter bis zum sinnerfassenden Lesen. Du bekommst konkrete Tipps, wie du Schülerinnen und Schülern das Lesen anschaulich vermitteln kannst – mit praxiserprobten Methoden und direkt einsetzbaren Arbeitsblättern.
Das Thema Lesen lernen beginnt bereits in der Vorschule und zieht sich durch die gesamte Grundschulzeit (Klasse 1–4). Die Grundlagen werden dabei in Klasse 1 und 2 gelegt.
Was bedeutet Lesen lernen eigentlich?
Lesen lernen ist ein komplexer Prozess, bei dem Kinder lernen, geschriebene Zeichen (Buchstaben) in Laute umzuwandeln, diese zu Wörtern zusammenzusetzen und schließlich den Sinn dahinter zu verstehen.
Der Leselernprozess lässt sich in vier Stufen gliedern:
1. Buchstabenerkennung
Kinder lernen, Buchstaben zu erkennen und den entsprechenden Laut zuzuordnen.
2. Wortdekodierung
Einzelne Buchstaben werden zu Silben und Wörtern zusammengefügt – das sogenannte „Erlesen“.
3. Leseflüssigkeit
Durch Übung wird das Lesen immer automatisierter und flüssiger.
4. Leseverständnis
Kinder erfassen nicht nur einzelne Wörter, sondern verstehen den Inhalt und Zusammenhang von Texten.
Die Silbenmethode: Erfolgreich Lesen lernen
Die Silbenmethode hat sich als besonders effektiv beim Lesenlernen erwiesen. Dabei werden Wörter in ihre natürlichen Sprechsilben zerlegt – oft unterstützt durch farbige Markierungen.
🔹 Merkmale der Silbenmethode:
- Wörter werden in Sprechsilben gegliedert (z. B. „So-nne“, „le-sen“)
- Jede Silbe wird farblich unterschiedlich markiert (meist blau und rot im Wechsel)
- Erleichtert das flüssige Lesen von Anfang an
- Reduziert Lesefehler deutlich
Beispiel:
So–nne, Ba–na–ne, Le–se–buch
✅ Tipp für den Unterricht:
Beginne mit zweisilbigen Wörtern und steigere dich langsam. Lass die Kinder beim Lesen mit dem Finger die Silbenbögen nachfahren oder klatschen – das unterstützt den Lernprozess zusätzlich.
Passende Arbeitsblätter zum Thema
Unterrichtsvorbereitung ganz einfach!
Von der Buchstabenerkennung zum Wortlesen
Der Weg vom einzelnen Buchstaben zum flüssigen Wort erfordert systematisches Üben. Hier sind die wichtigsten Schritte:
1. Buchstaben und Laute kennenlernen
Zunächst lernen Kinder die optische Form der Buchstaben und ordnen ihnen die entsprechenden Laute zu.
Übungsidee:
- Buchstabenkarten zum Anfassen und Legen
- Anlauttabellen mit Bildern (A wie Apfel)
- Buchstaben nachspuren und schreiben
2. Silben zusammensetzen
Sobald mehrere Buchstaben bekannt sind, beginnt das Silbenlesen. Kinder lernen, zwei oder drei Buchstaben zu einer Einheit zusammenzufassen.
Übungsidee:
- Silbenteppiche (ma, me, mi, mo, mu)
- Silbenkärtchen zum Zusammenlegen
- Silben klatschen oder stampfen
3. Erste Wörter erlesen
Aus bekannten Silben entstehen die ersten Wörter. Hier ist es wichtig, mit lautgetreuen Wörtern zu beginnen (Wörter, die man genauso schreibt, wie man sie spricht).
Beispiele für lautgetreue Wörter:
Mama, Papa, Oma, Rose, Hase, Nase
4. Vom Wort zum Satz
Mit wachsendem Wortschatz können Kinder erste einfache Sätze lesen. Diese sollten zunächst kurz sein und aus bekannten Wörtern bestehen.
Beispiel:
„Mama liest.“ → „Mama liest ein Buch.“ → „Mama liest am Abend ein Buch.“
Leseverständnis fördern: Mehr als nur Vorlesen
Lesen bedeutet nicht nur, Wörter aneinanderzureihen – es geht vor allem darum, den Inhalt zu verstehen. Leseverständnis wird oft unterschätzt, ist aber entscheidend für den schulischen Erfolg.
So förderst du Leseverständnis:
📖 Vor dem Lesen: Bild anschauen, Vermutungen anstellen
📖 Während des Lesens: Zwischenfragen stellen, unbekannte Wörter klären
📖 Nach dem Lesen: Inhalt wiedergeben, Fragen zum Text beantworten
Die Fünf-Schritt-Lesemethode ist dabei besonders hilfreich:
- Überfliegen – Worum geht es grob?
- Fragen stellen – Was will ich wissen?
- Lesen – Text genau lesen
- Zusammenfassen – Was war wichtig?
- Wiederholen – Nochmal nachdenken
Lehrplanbezug: Wann wird Lesen gelernt?
| Klasse | Inhalte |
|---|---|
| Vorschule/Klasse 1 | Buchstabenerkennung, erste Laute, Silben lesen, einfache Wörter |
| Klasse 2 | Leseflüssigkeit steigern, erste kurze Texte, Leseverständnis aufbauen |
| Klasse 3–4 | Sinnerfassendes Lesen, unterschiedliche Textarten, Lesestrategien |
Lesen ist eine Schlüsselkompetenz und zieht sich durch alle Fächer. Ein sicherer Leseerwerb ist die Basis für schulischen Erfolg.
Differenzierung: Jedes Kind im eigenen Tempo fördern
Nicht alle Kinder lernen gleich schnell lesen. Umso wichtiger ist es, differenziert zu arbeiten und jedes Kind dort abzuholen, wo es steht.
Drei Niveaustufen für den Unterricht:
🟢 Basis-Niveau
- Einfache Wörter und kurze Sätze
- Viel Bildunterstützung
- Fokus auf Leseanfänger und Förderkinder
🟡 Aufbau-Niveau
- Längere Sätze und kleine Texte
- Erste Aufgaben zum Leseverständnis
- Für Kinder mit soliden Grundkenntnissen
🔴 Erweiterungs-Niveau
- Komplexere Texte und anspruchsvollere Aufgaben
- Förderung von lesestarken Schülern
- Kreative Schreibanlässe und Textanalyse
✅ Tipp für den Unterricht:
Arbeite mit Wochenplänen oder Stationenlernen, damit Kinder selbstständig auf ihrem Niveau üben können.
Wertvolle Tipps für Lehrkräfte und Eltern
👩🏫 Für den Unterricht:
- Nutze Lesetandems: Starke Leser unterstützen schwächere Leser – das fördert beide.
- Schaffe Leseanlässe: Vorlesen in der Klasse, Leseprojekte, Autorenlesungen.
- Setze auf regelmäßige Lesezeiten: Lieber täglich 10 Minuten als einmal pro Woche 60 Minuten.
👨👩👧👦 Für Zuhause:
- Vorlesen bleibt auch nach dem Lesenlernen wichtig – es weckt Lesefreude!
- Gemeinsam lesen: Abwechselnd Sätze oder Seiten lesen.
- Geduld haben: Jedes Kind braucht seine Zeit. Druck erzeugt Frust statt Fortschritt.
Häufige Stolpersteine beim Lesen lernen
❌ Problem: Kind verwechselt ähnlich aussehende Buchstaben
→ Lösung: Gezielte Übungen mit Buchstabenpaaren (b/d, p/q, m/n)
❌ Problem: Lesen ist zu langsam und stockend
→ Lösung: Blitzlesen üben, bekannte Wörter automatisieren, Silbentraining
❌ Problem: Wörter werden erlesen, aber nicht verstanden
→ Lösung: Fokus auf Leseverständnis – Fragen zum Text, Bilder zuordnen, nacherzählen
❌ Problem: Kind hat keine Lust zu lesen
→ Lösung: Spannende, altersgerechte Texte wählen, spielerische Übungen, Erfolgserlebnisse schaffen
Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) erkennen und fördern
Manche Kinder haben trotz intensiven Übens große Schwierigkeiten beim Lesen lernen. Das kann ein Hinweis auf eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Legasthenie sein.
Typische Anzeichen:
- Buchstaben werden häufig verwechselt oder vertauscht
- Sehr langsames, stockendes Lesen über einen längeren Zeitraum
- Gelesenes wird nicht verstanden
- Große Anstrengung beim Lesen, Vermeidung von Leseaufgaben
Was tun?
- Frühzeitig professionelle Diagnostik durch Schulpsychologen oder Lerntherapeuten
- Gezielte Förderung mit speziellen LRS-Materialien
- Nachteilsausgleich in der Schule beantragen
- Geduld und Ermutigung – LRS bedeutet nicht fehlende Intelligenz!
✅ Tipp: Es gibt spezielle Arbeitsblätter für Kinder mit LRS, die besonders strukturiert und kleinschrittig aufgebaut sind.















